So gut war seit Martin Schmitt (46) im Jahr 2000 kein deutscher Skispringer mehr zum Saisonstart. Pius Paschke (34) gewann in Lillehammer (Norwegen), Kuusamo (Finnland), Wisla (Polen) und zweimal in Titisee-Neustadt. Überlegen führt er den Gesamtweltcup an. Und das mit 34 Jahren! Zuvor hatte der Bayer erst einen einzigen Weltcupsieg errungen, vor einem Jahr in Engelberg (Schweiz). Ein grandioser Spätstart eines Springers, der bislang immer im Schatten der anderen stand. Nun ist er plötzlich Favorit für die Vierschanzen-Tournee (ab 29. Dezember).
Was zeichnet Paschke aus? Wie tickt er?
Talent: „Pius war schon immer ein hochtalentierter Skispringer“, sagt Bundestrainer Stefan Horngacher (55). „Leider konnte er sich früher nicht konstant im Weltcup etablieren.“
Bis 2019 pendelte Paschke ständig zwischen Weltcup und dem zweitklassigen Continentalcup. Erst danach war er fix im Weltcup dabei. Erster Höhepunkt: Team-Gold bei der WM 2021 in Oberstdorf. „Daran hatte Pius großen Anteil“, sagt Horngacher.
In diesem Sommer steigerte sich Paschke noch mal. „Anlaufgeschwindigkeit, Absprung, Flugphase, Landung – Pius ist überall ein bisschen besser geworden. Er ist ein kompletter Springer“, erklärt Horngacher. „Außerdem ist er koordinativ extrem stark. Er ist ein Multi-Sportler, kann so ziemlich alles.“
Paschke sagt zu seinem Leistungssprung: „In der Jugend haben Wachstum und Materialumstellung nicht so recht zusammengepasst. Bis ich das alles wieder sortiert gehabt hatte, war einige Zeit vergangen. Und dann bin ich auch der Typ, der in seiner Entwicklung viele kleine, nachhaltige Schritte macht und nicht die ganz großen. Das hat sich nun über die Jahre ausgezahlt.“
Mentale Stärke: Früher hatte Paschke im Wettkampfstress mentale Probleme. Seit er mit dem Mentaltrainer Thomas Ritthaler zusammenarbeitet, ist er die Ruhe selbst. „Pius ist nicht mehr so nervös, wie er es früher ab und zu war“, sagt Horngacher. „Jetzt kann er sich im zweiten Durchgang oft noch mal steigern, das ist ein Zeichen von mentaler Stärke.“
2021 schloss Paschke die fünfjährige Ausbildung zum Polizisten ab. Auch das half. „Ich bin für die Zeit nach der Sportkarriere beruflich abgesichert. Das hat bei mir einiges bewirkt. Danach ging es bei mir sportlich bergauf“, sagt er.
Hobbys: Paschke spielt gern Gitarre, am liebsten rockige Stücke. Zu Wettkämpfen nimmt er sein Instrument immer mit, auch bei der Vierschanzen-Tournee ist es dabei. Weitere Hobbys sind Skifahren und Slacklinen. Kraft tankt er bei seiner Frau und den beiden Kindern in Kiefersfelden an der Grenze zu Österreich. Gern geht er auch mit Hund Lenny, einem Mischling, im Wald spazieren.
Gewicht: Der 1,75 Meter große Paschke wiegt 59 Kilo. Das entspricht einem Body-Mass-Index von 19,3. Da er nicht den BMI von 21 erreicht, darf er laut Regel des Ski-Weltverbandes nicht die maximale Skilänge von 145 Prozent der Körpergröße (das sind bei ihm 2,54 Meter) nutzen. Das ist jedoch bei den meisten Springern so. Für die maximale Skilänge müsste Paschke 64 Kilo auf die Waage bringen. So springt er mit zwölf Zentimeter kürzeren Ski (2,42 Meter lang).
Vorbilder: „Am Anfang waren Martin Schmitt und Janne Ahonen meine Vorbilder“, sagt Paschke. „Nach dem Tourneesieg von Sven Hannawald 2002 war er es dann auch.“
Tournee-Ziel: „Ich möchte den aktuell guten Drive mitnehmen“, sagt Paschke. „Die letztjährige Tournee war für mich sehr wertvoll. Ich hatte die richtige Einstellung aus Konzentration und Spaß an der Schanze, konnte die besondere Atmosphäre der Tournee aufnehmen und genießen. So möchte ich es heuer wieder anlegen.“ Vor einem Jahr belegte Paschke bei der Tournee Platz 20. Bestes Ergebnis war Platz 8 in Bischofshofen. In Innsbruck verpasste er den zweiten Durchgang und landete auf Platz 36.
Bundestrainer Horngacher: „Wenn Pius so springt wie im Moment, kann er die Tournee gewinnen – logisch.“