SPORT BILD: Herr Kühn, nach ihren zwei Toren in der Champions League für Celtic Glasgow titelte BILD: „Deutscher No-Name-Profi blamiert Leipzig!“ Wie hat ihnen die Schlagzeile nach dem 3:1-Sieg gefallen?
Nicolas Kühn (24): Das hat mir nicht so gut gefallen (lacht). Jeder, der sich ein bisschen mit Fußball in Deutschland auskennt, sollte inzwischen schon einmal von mir gehört haben. Spätestens jetzt.
Sie stehen in dieser Saison wettbewerbsübergreifend in 17 Spielen bei 21 Scorerpunkten. Gab es schon Kontakt mit Bundestrainer Julian Nagelsmann?
Bisher leider noch nicht. Jeder Junge, der Fußball spielt, träumt davon, irgendwann in der Nationalmannschaft zu spielen. Ich habe schon oft gesagt, die DFB-Elf ist ein Riesen-Ziel von mir. Schon im Abstiegskampf mit Erzgebirge Aue habe ich mir geschworen, dass ich irgendwann Champions League spielen werde – und es hat geklappt! Ich zeige auf dieser Bühne, dass ich mithalten kann. Und das will ich eines Tages beim DFB ebenso unter Beweis stellen. Ich weiß, dass ich die Qualität für die Nationalmannschaft habe und mache kein Geheimnis daraus, dass ich von der WM 2026 in den USA träume. Aber es gibt keinen anderen Weg, als weiter hart zu arbeiten, Tore zu schießen und vorzubereiten. Dann kommt der Rest von selbst.
Nach dem Leipzig-Spiel haben Sie die „Man oft the Match“-Trophäe bekommen. Was haben Sie damit gemacht?
Sie steht bei mir zu Hause, über meinem Kamin, neben dem Bild meines 2020 verstorbenen Vaters. Als ich gesehen habe, dass ich die Trophäe bekomme, war mir klar, dass sie diesen Platz bekommt. Meine ganze Familie war im Stadion und mein Vater hätte sich bestimmt sehr gefreut. Er war eine sehr wichtige Bezugsperson in meinem Leben. Ich bin mir sicher, dass er mir aus dem Himmel zusieht.
Zuletzt haben Sie einen Geschwindigkeitsrekord von 37,1 km/h aufgestellt. Damit übertreffen Sie sogar Kylian Mbappé…
Dass ich Speed habe, wusste ich schon immer. Letzte Saison bei einem Spiel mit Rapid Wien habe ich schon fast die 37 km/h geknackt. Wir haben immer Witze gemacht, dass ich noch mehr herausholen kann. Schön, dass ich das jetzt in unserem Pokal-Halbfinale gegen Aberdeen getoppt habe.
Sie waren in der Jugend bei St. Pauli und Hannover, sind über Leipzig und Amsterdam bei Bayern II, Aue, Rapid Wien gelandet und seit Sommer in Glasgow. Wie stimmungsvoll ist es im Celtic-Park im Vergleich zu den anderen Stadien?
Ich war noch nie in einem Stadion, in dem es so laut war. Wenn die Champions-League-Hymne gespielt wird, ist das Gänsehaut pur. Jeder Fußballfan, muss einmal hier ins Stadion. Da kann man gar nicht anders, als Celtic-Fan zu werden.
Wie sehr lieben die Celtic-Fans ihre Spieler?
Wir hatten eine Preisverleihung für den besten Spieler der Vor-Saison (Matt O’Riley; d.Red.). Celtic-Legende Henrik Larsson kam auf die Bühne, die Leute flippten aus und sangen Lieder, die sie über ihn gedichtet hatten. Die Fans sind total fußballverrückt.
Haben Sie auch schon eigenen Song?
Ja, tatsächlich habe ich den – und ich finde es richtig cool. Der Titel lautet: “Boy on the Wing”. Das kann man im Internet finden, u.a. bei Tiktok.
Flügelflitzer sind begehrt. Stimmt es, dass der FC Barcelona sogar zweimal hinter Ihnen her war?
Ja, das stimmt. Schon vor meinem Wechsel mit 14 Jahren ins Internat von RB Leipzig gab es Kontakt zwischen Barça und meinem Berater. Und auch vor meiner Zeit bei Ajax Amsterdam (ab 2018/d.Red.) wollten sie mich holen. Bei Ajax habe ich aber die größere Chance gesehen, den Durchbruch zu schaffen.
Wie geht man als junger Mensch mit so vielen Vereinswechseln um?
Mit 14 Jahren zu Hause auszuziehen, war eine große Umstellung. Als ich dann 18 Jahre war, bin ich zum ersten Mal ins Ausland gegangen, mit einer neuen Sprache. Das waren alles Erfahrungen, die mir jetzt den Wechsel nach Schottland leicht gemacht haben.
Neben Ajax und Leipzig waren Sie auch beim FC Bayern. Wie schwer ist es, sich als Talent bei den Top-Klubs durchzusetzen?
Bei den großen Vereinen ist es nicht einfach. Sie haben viel Geld, um jemanden zu kaufen, aber auch den Druck, dass die neuen Spieler sofort liefern müssen. Bayern kann nicht so viel experimentieren, da fehlt einfach die Zeit. Dann muss man wie ich einen Schritt zurückgehen und hoffen, dass man woanders eine Chance bekommt. Als ich klein war, habe ich immer gesagt, dass ich Fußballprofi werden will, da gab es für mich keine Zweifel. Jeder Schritt kam immer zum richtigen Zeitpunkt.