Im Oktober sagte Fulhams Torwart Bernd Leno (32) dem DFB ab. SPORT BILD erklärt er jetzt die Gründe.
SPORT BILD: Herr Leno, zum Start der letzten Länderspielreise sorgten Sie für Schlagzeilen, da Sie in BILD offen erklärten, dass Sie als Nummer 3 auf eine Nominierung verzichten. Würden Sie diese Aussage noch einmal so treffen?
Bernd Leno (32):[–> Ja, würde ich. Es war mir klar, dass es Diskussionen gibt. Wobei ich es am Ende schon extrem fand. Es wurde vom Bundestrainer etwas dazu gesagt, von Experten. Ich habe Julian Nagelsmann offen und ehrlich gesagt, dass ich mich nicht als Nummer 3 ohne Aussicht auf Spiele sehe. Ich habe großen Respekt vor ihm und finde, dass er ein sehr guter Nationaltrainer ist. Daher ist es mir wichtig, ihm auch ehrlich gegenüberzutreten. Was ja in mancher Berichterstattung vergessen wurde, ist, dass ich Julian und Andreas (Bundestorwarttrainer Kronenberg; d. Red.) auch gesagt hatte, dass ich immer da bin, wenn ich wirklich gebraucht werde und absolut stolz bin, für Deutschland spielen zu dürfen.
Hatten Sie danach noch einmal Kontakt mit Nagelsmann?
Nein, das war unser letzter Kontakt. Danach hatte ich mit Andreas noch einmal ein Telefonat. Aber an meiner Meinung hat sich ja nichts geändert. Ich glaube, dass meine Entscheidung respektiert wurde, wenn natürlich auch niemand darüber begeistert war. Ich habe aber nicht aus Emotionen heraus gehandelt: Ich hatte mir viele Gedanken gemacht, in welcher Konstellation ich dabei sein will, wie ich mich persönlich sehe.
Weil Sie nach vielen Jahren als Nummer 3 hinter Manuel Neuer und Marc-André ter Stegen nun nicht hinter Oliver Baumann und Alexander Nübel erneut nur Ersatz sein wollten?
Ich war sehr lange dabei, habe neun Länderspiele gemacht. Dafür bin ich noch immer dankbar. Ich werde im März 33 Jahre alt. Dass mit Alex Nübel ein jüngerer Torwart herangeführt werden soll, ist verständlich, Oliver Baumann ist ein guter, erfahrener Torhüter. Ich hatte gehofft, zumindest im November Spielzeit zu bekommen. Das konnte mir nicht in Aussicht gestellt werden. Von daher war für mich keine Perspektive gegeben.
Nagelsmann sprach davon, dass Ihnen eine mittelfristige Perspektive aufgezeigt worden wäre. Meinte er damit die Chance auf ein Spiel im November?
Was für mich zählt, ist das Hier und Jetzt. Und ich habe im Oktober und November wenig Aussicht auf Spiele gesehen. Um eines klarzustellen: Ich habe nie gefordert, die Nummer 1 zu sein! Ich wollte nur Aussicht auf Spielzeit. Und die war nicht gegeben.
Der Bundestrainer erklärte, dass die Tür für Sie nun nicht weiter aufgegangen sei.
Dass durch meine Aussagen die Tür nicht weiter aufgehen würde, war klar. Ich bin Julian Nagelsmann dankbar, dass er meine Meinung auf menschlicher Ebene akzeptiert hat. Seine Aussagen fand ich total nachvollziehbar und korrekt. Und ich würde selbst die Tür auch nie zumachen. Wer weiß, was passiert? Ich empfinde es immer noch als große Ehre, für mein Heimatland zu spielen. Aber laut dem Coaching-Team sind die anderen beiden eben im Moment vor mir. Ich will meine Leistung bringen und fit bleiben. Über andere Ziele oder Optionen will ich nicht labern und nichts fordern. Mir war es schon unangenehm, dass nun so viel über mich gesprochen wurde.
Haben Sie mit dem DFB abgeschlossen?
Nein, das zehnte Länderspiel ist noch nicht abgehakt. Man sieht am Beispiel von Marc-André ter Stegen leider auch, wie schnell es gehen kann – wobei ich ihm natürlich alles Gute wünsche.
Jens Lehmann hat sich positiv über Sie geäußert. Gab es noch andere Reaktionen?
Ich habe das mitbekommen, speziell einige Torwartkollegen konnten sich in mich reinversetzen. Es ist mir auch nicht leicht gefallen, dem DFB abzusagen – auch wenn sich einige in diese Richtung geäußert haben. Es haben Experten ihren Senf dazugegeben, die gar nicht die Fakten kennen oder wissen, was in mir vorgeht. Da ist es manchmal vielleicht besser, ruhig zu sein. Zu lesen, dass man Leute wie mich nicht brauche, war schon krass und aus meiner Sicht nicht gerechtfertigt. Ich habe es offen und ehrlich gemacht und begründet, warum ich nicht anreise. Da gibt es sicher auch andere Kandidaten in der Vergangenheit.
Wie fanden Sie die Aussagen von Joshua Kimmich? Der DFB-Kapitän erklärte unter anderem: „Ob man 34 Jahre alt ist oder 19, es ist etwas Besonderes, für Deutschland spielen zu dürfen.“
Als ich es gelesen habe, war ich schon kurz überrascht. Im O-Ton klang es aber weniger schlimm. Zudem hat er etwas Witziges gesagt: Er meinte, man solle „immer stolz sein, für die Nationalmannschaft zu spielen“. Ich habe nie was anderes gesagt und bin mehr als stolz. Ich weiß nicht, wie er reagieren würde, wenn er Jahre dabei wäre, ohne zu spielen. Ich habe mein letztes Länderspiel vor drei Jahren gemacht. Aus der Sicht hat er sich daher ein wenig widersprochen. Aber alles okay, ich kenne ja Joshua, wir haben kein Problem miteinander.
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Denken Sie sich manchmal: „Schade, dass ich kein Engländer bin“ – weil Sie dann längst die Nummer 1 im Nationalteam wären?
Das höre ich hier andauernd, dass ich in England die Nummer 1 wäre. Teamkollegen sagen mir das, Leute aus dem Trainerteam, dem ganzen Staff. Ich bin aber stolz, ein deutscher Nationalspieler zu sein.