SPORT BILD: Herr Mulder, welchen Tabellenplatz würden Sie für das Saisonende unterschreiben?
Youri Mulder (55): Das ist zum jetzigen Stand schwierig zu sagen.
Sagen wir: Platz zwölf?
Zwölf? Puh …
Das wäre zumindest kein erbitterter Abstiegskampf.
Es passt eigentlich nicht zu Schalke zu sagen, wir wollen Zwölfter werden. Ich muss aber die aktuelle Situation annehmen, jetzt geht es um die weitere Entwicklung und damit natürlich Ergebnisse. Ich erwarte, dass jeder Spieler zum Training kommt mit dem Antrieb, besser werden zu wollen. Das ist zunächst das Wichtigste, um gemeinsam erfolgreich zu sein.
Wie können Sie als Sportdirektor helfen?
Ich bin morgens zunächst im Profileistungszentrum, um sofort einen ersten Eindruck von den Spielern zu haben. Ich achte darauf, dass sie nicht zu angespannt sind, denn dann verkrampft man. Allerdings dürfen sie auch nicht zu locker sein, dann nimmt man die nächste Aufgabe vielleicht auf die leichte Schulter. Man muss die gesunde Mitte finden. Dazu bin ich täglich in der Abstimmung mit Ben Manga, Kees van Wonderen und dem Trainerteam. Der gemeinsame Austausch ist wichtig.
Wie finden Sie diese Mitte?
Es geht zunächst darum, für die Spieler da zu sein. Und zu erkennen, was Spieler brauchen. Vor dem Sieg gegen Regensburg – das war mein Eindruck – waren die Spieler nicht locker, da spürte ich eine Angst vor dem letzten Platz in der Tabelle. Ich habe dann versucht, den Spielern zu vermitteln, dass sie Fehler machen dürfen. Dass Mitspieler dafür da sind, um diese auszubessern. Ansonsten traut man sich nichts zu. Und ich habe klar gesagt, dass ich ins Gebäude hereinkommen möchte und eine bewusste Gewinner-Mentalität spüren will. Und das möchte ich vorleben.
Von wem haben Sie das als Spieler selbst gelernt?
Vor allem von Huub Stevens. Unter ihm wollte jeder Spieler jedes noch so kleine Trainingsspiel gewinnen. Ich weiß noch, als wir uns bei einem Training locker aufgewärmt haben und er uns plötzlich zusammengetrommelt hat. Er hat uns so was von strammstehen lassen! Er hat einhundert Prozent Fokus und Konzentration gefordert. Sogar beim Kartenspielen vor und nach den Spielen spürte ich diesen Ehrgeiz.
Braucht die Mannschaft im Winter Verstärkungen?
Ich finde es gut, wenn wir einen Konkurrenzkampf haben. Und um diesen zu steigern, müssen wir den Kader auf das bestmögliche Niveau bringen. Wir werden uns umschauen, das machen Ben Manga und ich.
Ist ein Budget vorhanden?
Ein Budget gibt es immer, wenn man Christina (Finanzvorständin Rühl-Hamers; d. Red.) nett fragt. Nein, im Ernst: Unsere Möglichkeiten sind nicht unendlich, wir haben im Sommer bereits investiert. Wir müssen kreativ sein. Mir ist aber genauso wichtig: Wir müssen alles tun, um unsere jetzigen Spieler bestmöglich zu fördern, wir glauben an die Mannschaft. Wir haben im Team eine Menge Entwicklungspotenzial.
Kaderplaner Ben Manga hat vor einigen Tagen selbst gesagt, dass er nicht alle Zugänge im Sommer richtig eingeschätzt habe. Geben Sie ihm recht?
Ich habe als Aufsichtsrat mit Ben viel über die Spieler gesprochen, die gekommen sind. Wir müssen den Spielern Zeit geben, um sich zu entwickeln. Ich verstehe, was Ben zum Ausdruck bringen wollte. Ich finde, dass die Spieler gut genug sind und sich entwickeln werden. Da sind wir uns einig.
Cinderella mal andersDIESE Beauty-Queen ist jetzt Fußball-Boss!
Fürchten Sie also keinen großen Kaderumbruch im nächsten Sommer?
Die Vergangenheit zeigt, dass in der Regel die Mannschaften erfolgreich sind und aufgestiegen sind, die sich über eine gewisse Zeit einspielen konnten. Und die nicht im Sommer zehn bis 15 Spieler ausgetauscht haben. Die Anzahl der Neuverpflichtungen in einer Transferperiode wollen wir reduzieren, aber der Umbruch im Sommer war notwendig.
Passen Ihre Aussagen zu dem Plan des Klubs, dass gute Spieler bei einem guten Angebot sofort verkauft werden?
Unsere Spieler müssen die Einstellung haben, das Bestmögliche erreichen zu wollen. Und dann ist Schalke keine Endstation. Früher, als ich Profi war, hieß es immer: „Schalke verkauft den besten Spieler nicht! Dann sind die Fans sauer!“ Aber die gesamte Fußballwelt hat sich verändert. Es gibt viele Vereine, die mehr Geld haben als wir. Wir müssen den finanziellen Teil beachten. Und man kann mögliche Einnahmen ja auch klug reinvestieren.
Ist es für Sie ausgeschlossen, Moussa Sylla, den bisherigen Königstransfer, schon im Winter zu verkaufen?
Ich möchte alle Spieler, die wie Moussa vorangehen, hierbehalten.
Heißt: Den Verkauf von Leistungsträgern im Winter wollen Sie mit aller Macht verhindern?
Genau.
Sie sind normalerweise Mitglied des Aufsichtsrates, gehören da dem Sportausschuss an. Wie konnten Sie zustimmen, dass die Talente Max Grüger und Taylan Bulut, die nun Stammspieler sind, lediglich Verträge bis 2026 bekamen?
Zunächst einmal ein großes Kompliment an die Knappenschmiede, wie sie die zwei Spieler ausgebildet hat! Manchmal gibt es Spieler, über die man sagt: „Das wird einer! Dem müssen wir einen Fünfjahresvertrag geben.“ Aber manchmal gibt es Spieler, die plötzlich einen riesigen Schritt machen. Dennis Bergkamp hat für die zweite Jugend-Mannschaft bei Ajax gespielt, später war er ein Weltklasse-Spieler. Max und Taylan, der ja in dieser Saison noch in der U19 spielen könnte, machen es bislang herausragend gut. Wir wollen sie auf ihrem weiteren Weg begleiten.
Ist es das Ziel, die Verträge der beiden langfristig zu verlängern?
Ja.
Ihr Amt als Sportdirektor ist lediglich interimsweise, bis ein neuer Manager gefunden ist. Haben Sie Ambitionen, den Job dauerhaft auszuüben?
Nein, gar nicht. Meine Ambition ist, in meiner Zeit alles herauszuholen. Aber nicht, um den Job langfristig auszuüben, sondern um Schalke zu helfen.