„Meine Bayern“ heißt die Kolumne von SPORT BILD-Reporter-Legende Raimund Hinko, die sich mit dem deutschen Rekordmeister befasst. Hinko begleitet den FC Bayern seit Jahrzehnten.
Lieber Harry Kane,
ich gehe fest davon aus, dass es Dir immer schwerer fällt, Dein Heimatland zu lieben. Weil sie dort ein linkes Spiel mit Dir treiben. Sie sind Dir – gelinde gesagt – in den Allerwertesten gekrochen, solange Du für die „Three Lions“, wie man die englische Nationalmannschaft fälschlicherweise nennt (sind das Löwen, die zu Hause 1:2 gegen die Griechen verlieren??), Tore am Fließband geschossen hast. 68 an der Zahl, was englischen Rekord bedeutet. Doch ausgerechnet nach dem Debakel gegen Griechenland, bei dem Du nur Zuschauer warst, forderten sie Deinen Rücktritt. Das soll mal einer verstehen.
„Seine Verletzung hat für Erleichterung gesorgt!“ Mit diesen höhnischen Worten hat Dich der „Guardian“ verspottet. Du, der 31-Jährige, seist in die Jahre gekommen, es sei an der Zeit, für Jüngere Platz zu machen. Und dann hat man Dir am Sonntag gegen die biederen Finnen eine Art Gnadenbrot hingeworfen. Erst als Du ausgewechselt wurdest, schoss Trent Alexander-Arnold postwendend das 2:0 (Endstand 3:1). Was Dir wie eine Demütigung vorgekommen sein muss.
Niemand meiner Leser konnte erwarten, dass ich für Dich einmal Partei ergreifen würde, lieber Harry. Wo ich doch früher selbst gespottet habe, Du könntest nur Elfmeter schießen. Ja, das kannst Du wirklich beeindruckend. Zuletzt hast Du alle 21 verwandelt. 13 für die Bayern, acht für England – doch das nur am Rande.
Du hast zuletzt Europas goldenen Schuh bekommen für 36 Tore in der Bundesliga für Bayern. Niemals zuvor hat ein Engländer diesen Schuh gewonnen, ihn allenfalls mit einem Fernrohr betrachtet. Dagegen hat ihn Gerd Müller 1970 und 1974 in Empfang nehmen dürfen, bzw. Robert Lewandowski 2021 und 2022. Beide im Trikot des FC Bayern. Es ist der pure Neid der Engländer, dass sie Dich verspotten und die Bundesliga gleich mit, die immer mehr ins Blickfeld des europäischen Fußballs rückt. Genauso wie der italienische Fußball. Der spanische sowieso.
Diese noch neue Saison spricht eine noch deutlichere Sprache. Obwohl zuletzt dreimal Dein Name unter den Torschützen nicht auftauchte, hast Du schon zehnmal getroffen. Nur Lewandowski (zwölf für Barcelona) und Erling Haaland (elf für ManCity) liegen hauchdünn vor Dir.
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Also lass sie auf der Insel mit Schaum vorm Mund weiter wüten. Die Zahlen lassen die Kritiker verstummen. Deine Chancenverwertung liegt in dieser Saison bei 43 Prozent, in der vergangenen waren es nur 32. Deine Strafraumaktionen, Deine Passquoten – in allem hast Du zugelegt. Und selbst wenn die Gegner Kiel oder Bremen hießen, wer sagt denn, dass die leicht bespielbar wären?
Mein Vorschlag – vielleicht nicht ganz ernst gemeint: Kaufe Deine prächtige Villa vor den Toren Münchens (übrigens nicht weit entfernt von der Wohnung des verstorbenen Gerd Müller). In dieser Villa landete Matthias Schweighöfer schon manchen Volltreffer als Filmregisseur. Du kannst ihn übertreffen. Deine vier Kinder werden es Dir danken, sie fühlen sich sauwohl in München, wie der Bayer sagt. Ich will nicht so weit gehen, dass Du Deutscher werden sollst. Obwohl?
Es gäbe auch sonst viel zu tun für Dich beim FC Bayern. Zuletzt fiel auf, dass Jamal Musiala, zehn Jahre jünger als Du, immer gleich am Boden liegt, sobald er den ersten Ballkontakt hat. Als hätten sich die Gegner, zuletzt beim 1:1 gegen Bayer Leverkusen die beiden ausgeschlafenen, ausgebufften Sechser Robert Andrich und Granit Xhaka, abgesprochen, dass Musiala nur mit versteckten, fiesen Attacken zu stoppen ist. Du, lieber Harry, könntest da das Wort ergreifen, dass junge Spieler in der Bundesliga – das gilt auch für Leverkusens Florian Wirtz – von den Schiedsrichtern besser geschützt werden müssen.
Die treffenden Worte finden, das wäre Dein größter Treffer.