„Meine Bayern“ heißt die Kolumne von SPORT BILD-Reporter-Legende Raimund Hinko, die sich mit dem deutschen Rekordmeister befasst. Hinko begleitet den FC Bayern seit Jahrzehnten.
Lieber Uli Hoeneß,
zunächst hatte ich hier stehen: Uli, rück‘ die Kohle raus! Bayern München braucht dringend einen starken Ersatz für Harry Kane. Denn ohne eine echte Nummer 9 läuft bei Bayern nichts.
Doch dann habe ich den Satz probehalber erst mal gestrichen, hatte mich blenden lassen von den vielen Toren gegen weniger starke Gegner. Und dem Gedanken, wie wohltuend schön ein üppiges Konto ist. Wie schön das viele Geld, auf dem die Münchner sitzen. Wie schön der warme bis stürmische Beifall bei der Jahreshauptversammlung. Wie schön, wenn man einen Milliardenumsatz verkünden kann.
Doch dann schaute ich genauer hin. Auf das bittere Pokal-Aus gegen Leverkusen, auf das 1:1 in Dortmund, was am Sonntag sogar die Hoffenheimer schafften. Und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen und ich sah glasklar, wie bitter nötig der FC Bayern eine 9, eine NEUN (!), einen echten Mittelstürmer hat. So nötig wie eine Lunge zum Atmen. Es mögen noch so viele falsche Neunen auf diesem Planeten rumsausen, das Spiel mag noch so elegant aussehen – beim FC Bayern funktioniert das nicht. Das zeigt nicht nur die Geschichte auf mit großen Mittelstürmern wie Gerd Müller, Miroslav Klose, Robert Lewandowski.
Auch in der jüngeren Geschichte, ohne den verletzten Harry Kane gehen die Münchner irgendwie am Stock. Ich will nun nicht in Panik verfallen und Vincent Kompany drängen, Kane nach seinem Muskelfaserriss schon am Freitag gegen Leipzig aufzustellen und das Risiko einzugehen, dass er auch im neuen Jahr nicht in Bestform ist. Doch ich bin mir sicher, dass Jamal Musiala mit einem Partner dann viel befreiter aufspielen kann als in Mainz, wo sie sein Wirken meist mit zwei, drei Mann im Keim erstickten. So klug das die Mainzer auch können. Wenn da vorne ein Klotz drinsteht, ein Brecher, dann sieht das ganz anders aus.
Also habe ich den Satz wieder eingefügt: ULI RÜCK‘ DIE KOHLE RAUS!
Und bei allem schwäbischen Sparsinn wird Hoeneß, bzw. der Vorstand nicht geizen. So sehr die Bayern die Dringlichkeit sehen, auf den erlahmten Flügeln, wo sie alle, Leroy Sané, Serge Gnabry, Kingsley Coman, Michael Olise und vor allem Mathys Tel weit unter ihren Möglichkeiten spielen (oder können sie es nicht besser?) nach belebenden Kräften zu suchen – in der Mitte muss es ja kein 100-Millionen-Mann sein. Für 40 ist vielleicht schon ein ganz Guter zu finden, der sich reinhaut, der ein, zwei Gegner bindet. Vielleicht kann man einen guten alten Freund um Rat fragen: Jupp Henyckes steht schließlich mit 220 Bundesligatoren immer noch auf Platz vier der Bundesliga-Torschützen. Er ist dem FC verbunden und hat mit bald 75 Jahren immer noch den Scharfblick eines Luchses.
Mir kommt von der Figur her einer wie Moritz Broschinski (24) vom VfL Bochum in den Sinn. Von der Technik her Joshua Zirkzee (23), der bei Bayern fast den Durchbruch geschafft hatte und über den FC Bologna bei Manchester United landete.
Das Rennen ist eröffnet.