Es hatte etwas von einem Präsidenten-Casting. In der vergangenen Woche sprachen die fünf Männer, die künftig Hertha BSC führen wollen, in einem Berliner Kino zu den Mitgliedern. Ein Autohändler, ein Ex-Profi, ein Turnschuh-Händler und ein Imbiss-Besitzer fordern bei der Wahl am 17. November Interimspräsident Fabian Drescher (41) heraus. Der Anwalt war vom Vize-Posten in das Amt aufgestiegen, nachdem Kay Bernstein († 43) im Januar 2024 unerwartet verstorben ist.
Drescher möchte das Amt behalten und gilt als Favorit. Zwar ist die Entwicklung mit noch immer schlechten Finanzen und sportlicher Stagnation bei den Fans umstritten. Dennoch hat Drescher einen guten Draht in die Kurve und ist für viele im Amt kalkulierbar. Er sagt: „Der von Kay Bernstein eingeschlagene Berliner Weg ist der Weg, den es konsequent fortzusetzen gilt.“
Zudem stehen Geschäftsführung und sportliche Leitung hinter Drescher. Immerhin wurden unter dem Interimspräsidenten der Vertrag von Geschäftsführer Thomas Herrich (60) verlängert und die Manager Benjamin Weber (44) und Andreas Neuendorf (49) im Gegensatz zu Trainer Pal Dardai (48) im Amt belassen.
Als größter Herausforderer gilt Uwe Dinnebier (61), der etliche Autohäuser und Hotels besitzt. Er punktet mit wirtschaftlicher Expertise, die Hertha dringend braucht. Dinnebier stellt in Aussicht, verkaufte Anteile zurückzuholen: „Falls der US-Investor 777 Partners die Anteile von Hertha BSC zum Verkauf anbietet, möchte ich eine schnelle und pragmatische Lösung finden, durch die es möglich wird, wieder Herr im eigenen Haus zu werden.“ Dinnebier sagt auch: „Ich möchte den Aufstieg in die Bundesliga realisieren und sportlich und wirtschaftlich Union Berlin überholen.“
Ex-Profi Wolfgang Sidka (70) hat Außenseiter-Chancen. Der frühere Mittelfeldspieler lief in der Jugend und bei den Profis zehn Jahre für Hertha auf, war später unter anderem Trainer von Tennis Borussia Berlin und Werder Bremen, aber auch in Katar, Bahrain und dem Irak. 2021 bis 2023 war Sidka Präsident des VfB Oldenburg. „Diese Erfahrungen und mein Fußballsachverständnis möchte ich als Präsident einbringen. Dazu kommen wertvolle Kontakte, die ich im Fußball pflegen konnte“, sagt Sidka.
Keine Siegchancen haben die weiteren Kandidaten. Olaf Brandt (56) gibt sich als die Stimme der aktiven Fans. Der Gastwirt betreibt seit mehr als 20 Jahren einen Imbiss direkt am Olympiastadion. Stepan Timoshin (23) machte Millionen mit einem Sneaker-Handel und zuletzt mit einer Krebs-Diagnose Schlagzeilen. Im Gegensatz zu den anderen Kandidaten geht er am meisten auf Distanz zur bisherigen Hertha-Führung. Er spricht sogar davon, „Korruption und Seilschaften“ im Verein bekämpfen zu wollen.
Der prominenteste Name, der bei der Wahl mitmischt, will nur Vizepräsident werden: Ex-Torjäger Marko Pantelic (46), Mitte der 2000er-Jahre mit Hertha im Europapokal, zudem bei Ajax Amsterdam und Paris St-Germain sowie mit Serbien bei der WM, sagt: „Ein wesentlicher Bestandteil meiner Vision ist es, den Berliner Weg weiter voranzutreiben und konsequent fortzuführen. Es geht mir nicht um Titel oder Positionen, sondern darum, mein Wissen und meine Erfahrungen in den Dienst von Hertha zu stellen und nach besten Kräften zu unterstützen.“
Schon lange wünschen sich viele Fans die Einbindung ehemaliger Spieler in den Verein, um auch sportlich bessere Entscheidungen zu treffen. Pantelic hat daher Top-Chancen!
Entscheidend wird auch, wer am 17. November tatsächlich am Wahl-Ort Messehalle ist. Denn nur dort kann abgestimmt werden. Für Hertha ist der Tag in jedem Fall richtungweisend. Denn die Lizenzen der nächsten Jahre sind in der noch immer wirtschaftlich brisanten Lage längst nicht sicher – und die Rückkehr in die Bundesliga steht nach holprigem Saisonstart auch in den Sternen.