„Meine Bayern“ heißt die Kolumne von SPORT BILD-Reporter-Legende Raimund Hinko, die sich mit dem deutschen Rekordmeister befasst. Hinko begleitet den FC Bayern seit Jahrzehnten.
Lieber Omar Marmoush,
willkommen im Torjäger-Wunderland der Bundesliga. Hier in Deutschland tragen zuallermeist die Torjäger Heldennamen. Gerd Müller natürlich. In den Gründerjahren Uwe Seeler beim HSV, gefolgt vom volksnahen Horst Hrubesch. Bei den Gladbacher Fohlen der Perfektionist Jupp Heynckes. Bei Schalke der lebende Fallrückzieher Klaus Fischer, einst Glasbläser aus dem tiefsten Bayerischen Wald. Bei Bayern „Rotbäckchen“ Kalle Rummenigge gefolgt von Hoeneß, mit Vornamen Dieter. Dresdens und Leverkusens Ulf Kirsten als Symbol der Wiedervereinigung. Der Brasilianer Giovane Elber von Schwaben und Bayern gleichermaßen geliebt. Miro Klose vom Dachdecker zum Himmelsstürmer. Robert Lewandowski, der Pole, der überall knipst. Sorry, an euch alle, die ich jetzt nicht aufzählen konnte, um den Artikel nicht zu sprengen. Ich habe euch natürlich nicht vergessen. Wie kann man Thomas Müller jemals vergessen?
Ja und jetzt du, Omar Marmoush. Allein dein Name klingt schon nach Popstar, so wie einst dein Namensvetter Omar Sharif, der als Dr. Schiwago weltberühmt wurde. Marmoush klingt so melodisch weich, wie eben einer, der meist lächelt, der Prinzessinnen heiratet. Nicht wie einer, der schnell sprintet, raffiniert und kompliziert Tore schießt, egal ob nach Kontern oder auf engem Raum. Und nebenbei auch noch das Spiel machen kann. Da fällt mir auch noch Florian Wirtz von Bayer Leverkusen ein.
Natürlich darf ich (sorry, ihr Bayern-Fans) Harry Kane nicht vergessen. Und vor allem auch Jamal Musiala. Nach diesem dritten Tor beim 3:0 gegen Union Berlin musste ich gefühlt 97-mal hinschauen, um zu erkennen, dass Kane vielleicht einen Tausendstel-Millimeter mit links eher am Ball war als Musiala mit rechts. Vielleicht zwingen die beiden die Statistiker oder den DFB zum Umdenken, dass es in Zukunft halbe Tore gibt, wenn zwei so parallel torgleich ticken. Musiala aus der Not heraus mit One-Touch-Fußball, damit ihn ein gegnerischer Rabauke nicht bald mal ins Krankenhaus tritt, wenn er schlangenhaft zum Dribbling oder zum Beinschuss ansetzt. Doch wie er da besser geschützt werden muss, das ist ein anderes Thema. Genauso, dass die Bayern mit ihrem Vincent-Kompany-Offensiv-Stil von 3,6 Toren pro Spiel auf einen neuen Rekord zusteuern, der sogar Gerd Müller hätte erblassen lassen.
Also, lieber Omar Marmoush, ich schreibe dir auch deshalb, weil es keine Ewigkeit dauern wird, dass du den Adler der Eintracht trägst – so sympathisch das wäre, vielleicht 420 Spiele lang für die Frankfurt auf Torejagd zu gehen wie das Schlitzohr Bernd Hölzenbein, der geniale Schwalbenkönig aus dem WM-Finale 1974.
Es muss ja nicht immer Bayern sein. Doch dieser Weg scheint vorgezeichnet, weil man getrost davon ausgehen kann, dass für die Münchner nicht mithalten werden (können), wenn Real Madrid bereit ist, 150 Millionen Euro Ablöse für Florian Wirtz zu zahlen. Dieser Moment ist gar nicht mehr fern, weil die Spanier enttäuscht sind, wie sich Jude Bellingham entwickelt hat, wie Kylian Mbappé bisher floppt. Einer, der alle zum Laufen bringt, inklusive Vinicius Junior, das trauen die Königlichen eben nur Wirtz zu. Noch dazu, wenn Leverkusens Trainer Xabi Alonso Nachfolger von Carlo Ancelotti wird. Und erst recht, wenn da auch noch Erling Haaland von Man City dazustößt. Unglaublich …
In München hast du, lieber Omar, keinen Zungenbrecher wie Ekitiké mehr. Namen wie Harry, Thomas, Aleksandar, Leroy, Serge sind viel leichter auszusprechen. Du wirst dich mit Jamal Musiala schlafwandlerisch blind verstehen. Schade, dass Sportvorstand Max Eberl das Paket erst für 2025 schnüren kann. Macht ja nix. Der Bundesliga tut es gut, wenn sie weiter einen neuen stürmenden Helden in ihren Reihen hat. Und wenn dann in der neuen Saison ein Fernduell der Tore stattfindet: unsere Bundesliga gegen die spanische La Liga. Die englische Premier League wird erblassen vor Neid.